Zwischencheck (bottom-up)
Nun haben wir sowohl Ziele, als auch fixe und flexible Inhalte. Darauf folgt, was viele aus der Softwareentwicklung kennen und zu lieben oder hassen gelernt haben: eine Schätzung. Doch keine Sorge, es kommen weder Story Points noch, Gott bewahre, Personentage oder ähnliches zum Einsatz. Alles was hier erreicht werden soll, ist auf sein Bauchgefühl zu hören. Das Bauchgefühl ist bekanntlich intuitiv und nicht rational, daher müssen wir uns davor hüten, es “runterrationalisieren” zu wollen. Was ich damit meine ist, es reicht aus, sich die nötige Zeit zu nehmen und mit seinen Zielen und Inhalten auseinanderzusetzen. Die Kernfrage die man sich danach stellen muss ist: “Habe ich das Gefühl, dass sich das wirklich alles bis zur Deadline ausgeht, oder nicht?” Mehr nicht! Die Option besteht natürlich, wenn man bspw. eine Wochenzahl (o.ä.) für das jeweilige Ziel im Kopf hat, diese auch niederzuschreiben, ist aber nicht zwingend nötig. Hier wiederum Achtung: Man beginnt schnell, wenn/dann Annahmen zu treffen, welche meist durch den Wunsch eines positiven Resultats voreingenommen sind. Das dieses Bauchgefühl nicht immer mit der späteren Realität übereinstimmt, kann passieren, aber dafür haben wir die Flexibilität im Scope.
Was, wenn das Bauchgefühl komplett daneben liegt? Ja, kann durchaus passieren, speziell am Anfang, da dieses erst über Erfahrung und vor allem Fehler dazulernt. An dieser Stelle sei kurz bemerkt, was nicht zum eigentlichen Artikel gehört: Worüber wir hier nicht geschrieben wurde ist “Budget”. In unserem Fall heißt das: Wie viel Zeit stecke ich in die Learning Journey? Man könnte sagen: Wir haben ja unseren Learning Friday mit den dafür vorgesehenen Stunden. Ja, wir genießen diesen Luxus und der LF ist mit Sicherheit der Rahmen, in dem man zu einem großen Teil an der Weiterbildung arbeiten wird. Vergesst aber nicht, dass eure Learning Journey auch immer mit für euch wichtigen Inhalten gefüllt ist, die ihr für euch gewählt habt und nicht immer zwingend die höchste Priorität für den Kunden haben, dadurch aber die Learning Journey zu eurer Learning Journey machen. Damit ist gemeint, dass man sich zeitlich nicht nur auf den LF beschränken sollte. Für mich hat sich bewährt: Da es sich um meine Learning Journey handelt, arbeite ich an dieser am LF und darüber hinaus in meiner Freizeit. Wie viel? So viel wie nötig um die Deadline zu halten und somit den nächsten Schritt zu ermöglichen: Einsatz beim Kunden. Die Zeit (Budget), die du für die Weiterbildung investierst, ist natürlich nach deinem ermessen zu wählen.
Das Resultat des Zwischencheck ist ein “ja, geht sich aus” oder “nein, geht sich nicht aus”. Falls hier dein Bauchgefühl mit “nein” antwortet, musst du die Deadline unbedingt hinterfragen. Dafür bietet es sich an, dem Kunden aber auch dir selbst die Frage zu stellen, ob die
Deadline richtig gesetzt wurde, oder man unter Berücksichtigung der neuen Erkenntnisse diese anders setzen kann. Es ist meines Erachtens nach kein Verbrechen, eine Deadline zu verschieben, wenn man noch in der Planung ist.
Hat man die Deadline neu angesetzt, bleibt nur noch übrig, sich zu überlegen, wie man denn seine Ziele angehen möchte. Nach einer bestimmte Reihenfolge? Gibt es Abhängigkeiten zwischen den Zielen usw.? Hier empfehle ich pragmatisch vorzugehen: Wenn eine Reihenfolge notwendig ist und Abhängigkeiten bestehen, überlegt euch diese in dem Ausmaß, dass ihr eine Reihenfolge festlegen könnt. Sobald ihr die habt, kommt der letzte Check, bevor es endlich losgeht:
Reiht euren Backlog anhand der Reihenfolge eurer Ziele. Darüber hinaus, innerhalb der Ziele liegen “must-haves” natürlich immer über “nice-to-haves”.
Um das Negativszenario fertig durchzudenken:
Was tut man nun, wenn die Deadline nicht verhandelbar ist? In unserem Fall reduzieren wir den Scope. Hierbei hat man sich selbst einen Gefallen getan, wenn man sich an der 50/50 Verteilung zwischen “must-have” und “nice-to-have” orientiert hat.
Doch wie weit kann oder sollte man den Scope reduzieren? Ich habe vorhin erwähnt, dass der Scope immer variabel/flexibel bleiben muss. Als Minimum an Flexibilität sehe ich eine 75/25 Verteilung.
Was wenn sich 75/25 nicht ausgeht sondern 85/15 oder gar 90/10 rauskommt? Hier kommt man etwas in die Bredouille, oder eben auch nicht. Aus persönlicher Erfahrung müssen bei solchen Learning Journeys Inhalte dabei sein, die nicht zwingend benötigt werden, aber neben der benötigten Flexibilität meist eine Menge Spaß und Wissen mitbringen, auf die man auf keinen Fall verzichten möchte. Wenn man, bevor man seine Reise überhaupt startet, bereits den Großteil der Flexibilität und den Spaß sowie die Möglichkeit mal nach links und rechts zu schauen rausstreichen muss, greife ich zu einem Mittel, das manchen vielleicht als radikal erscheinen könnte. Ich sage die Party ab.
Falls es nicht möglich ist, mit einem Verhältnis von minimal 75/25 zu starten, mache ich die Weiterbildung auch nicht. Rational gesprochen sollte man deshalb nicht starten, da man mit einem zu geringen Maß an Flexibilität in sein Unterfangen startet um die Flut an Annahmen, die man getroffen hat, abzufedern (außer man hat viel Zeit [Budget] in der Freizeit ^^). Aus emotionaler Sicht macht es wenig Spaß, immer nur das zu tun, was man machen muss und nicht auch mal zwischendrin das tun zu können, was man möchte.
Prinzip #7: Die Deadline in Zusammenspiel mit den einhergehenden Inhalten muss ein positives Bauchgefühl bei dir erwecken, ansonsten verhandle die Deadline.
Prinzip #8: Wenn dein Scope ein zu geringes Maß an Flexibilität beinhaltet, sage die Party lieber ab.